zurück

Rede von Martin Schulz vor dem Europäischen Rat

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sehr geehrte Damen und Herren,

gestern hat das Europäische Parlament eine neue Europäische Kommission gewählt. Und damit zu einem guten Ende gebracht, was wir mit dem Prozess der Spitzenkandidaten begonnen hatten. Herzlichen Glückwunsch an Jean-Claude Juncker und seine neugewählte Kommission. Zusammen ist es dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament gelungen in der Europäischen Union eine demokratische Zeitenwende einzuleiten. Indem wir eine neue Verfassungspraxis begründet haben und das ohne dass wir dafür die Europäischen Verträge ändern mussten. Dafür danke ich Ihnen im Namen des Europäischen Parlaments und der Bürgerinnen und Bürger.

Zur wirtschaftlichen Situation in der Europäischen Union

Während der Anhörungen der Kommissarskandidaten im Parlament hat sich eine Frage einmal mehr als zentral herauskristallisiert: die Frage nach der richtigen Wirtschaftspolitik für Europa. Kaum ein anderes Thema wurde in den vergangenen Jahren hitziger diskutiert.

Ja, in den letzten Jahren hat es Fortschritte gegeben.

Wir haben immer wieder den politischen Willen unter Beweis gestellt, unsere Gemeinschaftswährung energisch zu verteidigen. Niemand stellt heute noch das Überleben des Euros in Frage. Auch bei der Bankenunion sind wir weiter gekommen.

Die hochdramatischen Tage der Krise liegen hinter uns.

Aber die Krise selbst ist noch nicht vorbei. Der IWF und die OEZD warnen uns: Europa läuft Gefahr eine Dekade zu verlieren und droht in eine Abwärtsspirale zu geraten aus niedrigem Wachstum, hoher Arbeitslosigkeit, steigender Armut, und explodierenden Schulden. Der Mix aus Niedrigwachstum, der die Haushaltseinnahmen verringert, und hoher Arbeitslosigkeit, die die Staatsausgaben erhöht, belastet die Haushalte enorm. In den Programländern hat das Zusammenspiel von Haushaltskonsolidierung und restriktiver Lohnpolitik die öffentliche und private Nachfrage schrumpfen lassen. Der Glaube, durch Haushaltskonsolidierung alleine kämen Wachstum und Investoren automatisch zurück, hat sich als falsch erwiesen.

Derzeit erleben wir, wie sich die Konjunktur abkühlt. Ein starkes Warnsignal. Ein Warnsignal, auf das wir reagieren müssen.

Das Europäische Parlament befürwortet seit Jahren einen ausgewogenen Ansatz, der nachhaltige Haushalte, Strukturreformen und wachstumsfreundliche Investitionen miteinander verbindet. Erst in dieser Woche haben wir in einer Resolution zum Europäischen Semester erneut darauf hingewiesen, dass nachhaltige Haushalte und Strukturreformen ja kein Selbstzweck sind, sondern ein Mittel zum Zweck nachhaltiges Wachstum und letztlich Arbeitsplätze zu schaffen und die Armut zu bekämpfen.

Mit der Forderung nach Investitionen standen wir lange alleine da. In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich immer mehr Experten für Investitionen ausgesprochen.

Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank zählt zu ihnen. In seiner mittlerweile fast schon berühmten Rede in Jackson Hole warnte Mario Draghi davor, dass Geldpolitik allein nicht zum gewünschten Ergebnis führt, wird sie nicht von der richtigen Fiskalpolitik begleitet.

Erlauben Sie mir, um der Klarheit willen, bitte, Mario Draghi im Wortlaut zu zitieren: "Erstens könnte die bestehende Flexibilität des Regelwerks dazu genutzt werden, der schwachen Erholung entgegenzuwirken und die Kosten der erforderlichen Strukturreformen aufzufangen." [...] " (...) und ein umfangreiches öffentliches Investitionsprogramm zu gewährleisten, was auch im Einklang mit Vorschlägen des künftigen Präsidenten der Europäischen Kommission steht."

Die Warnungen müssen wir sehr ernst nehmen und die Vorschläge befolgen.

Denn die privaten und öffentlichen Investitionen liegen in Europa noch immer deutlich unter dem Vor-Krisen- Niveau; in den besonders krisengeplagten Ländern sind sie regelrecht abgestürzt. 2013 wurden EU-weit 325 Milliarden Euro weniger investiert als der Jahresdurschnitt im Jahrzehnt vor der Krise - das entspricht 2,5 Prozentpunkten des BIP.

Kommissionspräsident Juncker hat im Juli einen 300 Milliarden Investitionspakt im Europäischen Parlament vorgestellt - und dafür viel Zustimmung bekommen. Diesen Richtungswechsel befürwortet das Europäische Parlament.

Sehr geehrte Damen und Herren,

verständlicherweise löst ein solcher Investmentpakt zwei Fragen aus.

Erstens, wo soll das Geld her kommen?

Zweitens, wo soll das Geld hinfließen, wo kann es sinnvoll eingesetzt werden?

Ich möchte voranstellen: Investieren bedeutet nicht automatisch Schulden machen.

Investieren bedeutet zunächst das Geld, das man hat, bestmöglich und zum größtmöglichen Gewinn einzusetzen.

Einige Vorschläge zur Finanzierung des Investmentpaketes wurden bereits gemacht und die neugewählte Kommission arbeitet mit Hochdruck an einem fundierten Vorschlag. Sicherlich sollte der Europäischen Investitionsbank eine zentrale Rolle zukommen. Außerdem gilt es, sowohl öffentliche als auch private Gelder zu mobilisieren.

Aus Sicht des Parlaments ist gewiss: Wir können gemeinsam die notwendigen Mittel mobilisieren, wenn wir den Willen dazu haben.

Wo sollten die Mittel sinnvollerweise investiert werden?

Klar ist: Bei dem Investitionspaket kann es nicht darum gehen nach dem Gießkannenprinzip zu verfahren und Millionen wirkungslos verdampfen zu lassen. Nein, wir wollen gezielte Investitionen in Bereichen, die kurzfristig die Konjunktur ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen und langfristig unseren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen. Wir wollen da investieren, wo der größte Mehrwert zu erwarten ist.

Sicherlich ist es sinnvoll im Rahmen eines europäischen Infrastrukturprojekts in Energie und

Telekommunikation zu investieren, Brücken und Straßen zu bauen, uns mit Breitband und Stromnetzen besser zu verbinden, und innovative Forschungsprojekte und Start-UPs zu finanzieren, die die innovativen Produkte des 21. Jahrhunderts entwickeln.

Die Gemeinschaftsinstitutionen haben besonders durch die Europäische Investitionsbank und auch durch den Mehrjährigen Finanzrahmen - der ja ein Investitionshaushalt ist - fundierte Erfahrungen gesammelt, in welchen Bereichen Investitionen besonders ertragreich für Jobs und Wachstum sind.

Erlauben Sie mir bitte kurz drei Beispiele zu skizzieren.

Erstens, zur Europäischen Investitionsbank. 2012 haben die Mitgliedsländer das Kapital der EIB erhöht, um ihre Kreditvergabekapazität zu erhöhen. Dieser Schritt hat die Aktivitäten der Bank angekurbelt. Investitionen in Innovation, Energie und Infrastruktur wurden ebenso erleichtert wie der Zugang für SMEs zu Krediten.

Zweitens, das europäische Rahmenforschungsprogramm Horizon 2020.

Die europäische Forschungspolitik ist ein Erfolgsprojekt, dem es gelang den negativen Trend der Abwanderung junger Forschertalente umzudrehen.

Basierend auf Berechnungen, die die Kommission in ihrer ex-ante Folgenabschätzung für Horizon 2020 vorgelegt hat, steht zu erwarten, dass jeder Euro, der bis 2030 über Horizon 2020 in Forschung und Entwicklung investiert wird, zehn Euro zusätzliches BIP abwerfen wird. Außerdem soll Horizon 2020 bis zum Jahr 2030 830.000 nachhaltige Jobs schaffen.

Drittens, die digitale Agenda. Besonders bei der Digitalen Agenda entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Europas. Gerade auch für unsere Industrie und den Mittelstand ist es wichtig, dass der Umbau zur sogenannten Industrie 4.0 gelingt. Herr Juncker, hat darauf hingewiesen, dass ein digitaler Binnenmarkt 250 Milliarden zusätzlichen Wachstum und hunderttausende neuer, qualifizierter Jobs in den nächsten fünf Jahren bringen kann.

Wir brauchen eine digitale Infrastruktur: Breitbandnetze sind Daseinsvorsorge.

Wir müssen unsere europäischen Start-UPs noch mehr unterstützen, gerade beim Sprung auf den Weltmarkt.

Wir müssen unser Kartell-, Datenschutz-, und Urheberrecht an die neuen Gegebenheiten anpassen, damit unsere Unternehmen wettbewerbsfähig sind, ohne unsere Grundrechte und Standards zu verwässern,

Klima- und Energiepolitik

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir alle erinnern uns noch an die Kopenhagener Klimakonferenz vor fünf Jahren. Das Ergebnis fiel damals bescheiden aus. Der Kopenhagen-Akkord war nicht mehr als ein Minimalkonsens und blieb weit hinter dem zurück, was wir als EU erreichen wollten: ein neues, völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Seit Kopenhagen hat eine Vielzahl an Treffen statt gefunden, um das dringend benötigte globale Abkommen vorzubereiten. Bereits im Dezember wird sich die Weltgemeinschaft in Lima einfinden, um die im nächsten Jahr in Paris anstehenden Entscheidungen vorzubereiten. Das Ziel der Klimakonferenz in Paris ist es, ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zu verabschieden. Es steht viel auf dem Spiel Und es wird nicht leicht werden angesichts der aktuellen geopolitischen und weltwirtschaftlichen Lage.

Aber eine Blamage wie in Kopenhagen können wir uns nicht wieder leisten. Dennoch: es gibt auch Grund zur Hoffnung. Das Treffen der Regierungschefs in der UNO in New York im September hat gezeigt, dass es eine Chance gibt. Es gilt jetzt diese Gelegenheit zu nutzen und zum positiven Trend zu verstetigen. Deshalb sind nicht nur die Konferenzen in Lima und Paris wichtig, sondern auch die Signale, die von diesem Europäischen Rat ausgehen.

Die Entscheidungen, die Sie heute über die Klima und Energiepolitik treffen, sind eine Botschaft an den Rest der Welt. Ich weiß, wie schwierig es ist, die sehr unterschiedlichen Positionen und Interessen im Bereich der Klima- und Energiepolitik unter einen Hut zu bringen. Im Parlament haben wir sehr hitzige und kontroverse Debatten zu diesem Thema geführt und nicht alle sind mit dem Ergebnis zufrieden.

Wenn wir aber in der Weltklimapolitik eine führende Rolle spielen wollen, dann müssen wir geschlossen auftreten und alle die Position, auf die wir uns geeinigt haben, mit tragen. Jetzt gilt es, uns sowohl auf die Ziele als auch die richtigen Instrumente zu einigen. Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen und uns als Vorreiter im Klimaschutz bewähren, können wir mit gutem Beispiel voran gehen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte Sie dringend: Unternehmen Sie keine weiteren Schritte auf der abschüssigen Bahn des Intergouvernementalismus. Der Europäische Rat sollte sich nicht in die Details der Gesetzgebung einmischen. Nicht nur, weil das vertragswidrig ist. Die Erfahrung lehrt auch: das führt zu schlechteren Ergebnissen. Lassen Sie den Rat und das Europäisch Parlament ihre Arbeit tun. Alles andere bedeutet schlechte Nachrichten für das Weltklima und das Klima zwischen den Institutionen.

Im Februar hat sich das Europäische Parlament nach ähnlich kontroverser Debatte, wie sie bei Ihnen geführt wird, mit Mehrheit für verbindliche klimaziele ausgesprochen.

Uns geht es dabei um drei Ziele, die wir bis 2030 erreichen wollen:

Erstens, im Vergleich zu den Werten von 1990 den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent reduzieren.

Zweitens, den Anteil an erneuerbaren Energien im Energiemix auf mindestens 30 Prozent erhöhen.

Drittens, bis 2030 40 Prozent an Energie einsparen.

Außerdem haben wir in dieser Resolution festgestellt, dass die Schlüsselinstrumente des Europäischen Klimaschutzes, das Emissionshandelssystem und die Anpassung der Entscheidung über die Lastenteilung nicht ehrgeizig genug sind. Eine Strukturreform des Emissionshandelssystems ist dringend angeraten, ebenso ein ambitionierten Rahmen für die nicht vom Emissionshandelssystem erfassten Sektoren, die immerhin für 60% der europäischen Treibhausgase verantwortlich sind.

In letzter Zeit werden wieder Stimmen laut, die sagen, jetzt sei nicht die richtige Zeit, um ehrgeizigen Klimaschutz zu betreiben, erst müsste die Krise in Europe überwunden sein. Das stimmt nicht. Das Europäische Parlament hat wieder und wieder betont, dass Wirtschaftswachstum und der Klimaschutz nicht nur nebeneinander bestehen können, sondern sich gegenseitig verstärken. Damit das gelingt, müssen wir aber unsere Energiepolitik neu organisieren. Und das heißt: unsere Energiequellen diversifizieren und unsere Energieabhängigkeit verringern.

Konkret bedeutet dies: Die schnelle Vollendung des internen Energiemarktes und die Modernisierung unserer Infrastruktur, insbesondere durch den Ausbau unserer Stromnetze, sowie die Bereitstellung von Querverbindungen und Speicherkapazitäten. Wir wollen die Sonne im Süden und den Wind im Norden nutzen, um unsere Fabriken und Häuser mit Strom zu versorgen und das durch europaweite Netze, die uns verbinden. Wir wollen die Stärken der Einzelnen zum Nutzen Aller einzusetzen. Auch damit Energie bezahlbar bleibt und die Versorgung gesichert ist. Spätestens die Krise in der Ukraine hat auch dem Letzten vor Augen geführt, dass wir mehr für unsere Energiesicherheit tun müssen. Leider haben wir seit der Ölkrise vor 40 Jahren nicht viel getan, um unabhängig von Drittstaaten zu werden und einen Energiebinnenmarkt aufzubauen. Das müssen wir dringend nachholen.

Im letzten Jahrzehnt sind die Energiepreise gestiegen. Die hohen Energiepreise lasten schwer auf den Menschen und Unternehmen in Europa. Die billigste und sauberste Energie ist Energie, die gar nicht erst verbraucht wird.

Deshalb ist Energieeffizienz der Schlüssel, um Energiekosten zu senken, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und unsere Abhängigkeit von Energielieferungen durch Drittstaaten zu reduzieren.

2011 hat die EU fossile Brennstoffe im Wert von 406 Milliarden Euro importiert. Mit diesem Geld schaffen wir aber keine Jobs in Europa.

Eine halbe Million Menschen arbeiten bereits im Bereich der erneuerbaren Energien. Und es können viele mehr werden, wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Noch sind wir Weltmarktführer bei Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien. Aber die USA und China holen auf.

Deshalb: wir müssen jetzt gezielt in die Bereiche Erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren, gerade auch in Forschung und Entwicklung, um Weltspitze zu bleiben und neue Zukunftschancen zu schaffen.

Die Kommission hat kalkuliert, dass im Bereich Erneuerbare Energien drei Millionen neue Jobs und im Bereich der Energieeffizienz zusätzlich zwei Millionen neue Arbeitsplätze in den kommenden Jahren entstehen können. Auch scheinen jährliche Kosteneinsparungen im dreistelligen Milliardenbereich möglich.

Ich will hier nichts beschönigen. Das wird alles viel Geld kosten. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, Privatinvestoren und der Industrie mit einem klaren und langfristig angelegten Rahmen die notwendige Planungssicherheit zu verschaffen. Der Europäische Rat ist jetzt aufgefordert für diese Klarheit zu sorgen. Denn es steht viel auf dem Spiel: ob es uns gelingt, den Klimawandel zu bekämpfen, unsere Energieabhängigkeit zu verringern, unsere Industrie im internationalen Wettbewerb zu stärken und neue Jobs zu schaffen. Sie stellen heute die Weichen, die darüber entscheiden, ob Europa weiter Weltspitze bleibt.

Fluggastdatensätze und Foreign Fighters

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Europäische Parlament teilt Ihre große Sorge über die Foreign Fighters, EU-Bürger, die sich, zuhause radikalisiert, auf den Weg nach Syrien und in den Irak machen, um sich dort dschihadistischen Gruppen anzuschließen. Insbesondere der Terrormiliz des sogenannten "Islamischen Staates".

Leider handelt es sich hierbei nicht um eine zu vernachlässigende Randerscheinung. Mittlerweile gibt es über 3000 europäische Kämpfer im Irak und in Syrien. Männer und Frauen, sogar Jungen und Mädchen, aus allen Schichten machen sich aus Europa auf in den Krieg.

Diese Terroristen befeuern die Konflikte in unserer Nachbarschaft. Sie stellen aber auch ein Sicherheitsrisiko für europäische Länder dar. Steht doch zu befürchten, dass diese gewaltbereiten Extremisten in Europa anwenden könnten, was sie im Krieg gelernt haben.

Wir alle erinnern uns noch deutlich an das entsetzliche Terrorattentat auf das Jüdische Museum in Brüssel im vergangenen Jahr. Solche schrecklichen Verbrechen fordern uns als Gesellschaft in unserer Gesamtheit heraus. Gemeinsam und unerschrocken müssen wir uns diesem gewaltbereiten Fanatismus entgegenstellen.

Wir brauchen eine umfassende Strategie, die mit der Prävention gegen Radikalisierung beginnt und bis zur engen Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten reicht. Ihre Innenminister haben in der vergangenen Woche bereits die ersten Schritte eingeleitet und wir erwarten einen baldigen Austausch mit dem Rat über diese Thematik.

Auch die Gespräche über den Vorschlag der Kommission zur Harmonisierung der Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Strafverfolgung auf EU-Ebene laufen wieder. Einige EU-Länder verfügen bereits über nationale PNR-Systeme, während andere EU-Länder gerade dabei sind solche Systeme zu entwickeln. Nichts hindert Sie daran, diese Arbeit auf nationaler Ebene zu vollenden. Die Kommission unterstützt solche Vorhaben sogar mit EU-Mitteln.

Was eine mögliche Harmonisierung auf europäischer Ebene betrifft, wird das Parlament selbstverständlich konstruktiv mit dem Rat zusammen arbeiten. Aber e ine für uns annehmbare Lösung muss sowohl unseren Strafverfolgungsbehörden zu einer präzisen Einschätzung der Lage verhelfen als auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden und im Einklang mit unseren Grundrechten stehen.

Sie stimmen sicherlich mit mir darin überein, dass wenn wir uns dazu entschließen Gesetzgebung zu verabschieden, diese dann auch wirklich gerichtsfest sein muss. Schließlich wollen wir nicht erneut vor Gericht scheitern, wie dies zuletzt mit der Vorratsdatenspeicherung im April geschah.

Ebola

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor unseren Augen spielt sich in Westafrika eine entsetzliche Tragödie ab. Uns allen haben sich schreckliche Bilder eingebrannt. Von an Ebola erkrankten Menschen, die wegen Platzmangel vor den Toren der Krankenhäusern und Isolierungsstationen abgewiesen werden. Von erkrankten Kindern, die auf dem Gehweg von ihren Familien ausgesetzt werden, weil sie einfach nicht mehr weiter wissen. Von Menschen, die elendig an der Seuche sterben. Von Toten, die niemand beerdigt. Die Epidemie breitet sich immer weiter aus, gefährdet immer mehr Menschen, bedroht die staatliche Ordnung und den gesellschaftlichen Zusammenhang.

Zulange hat die internationale Gemeinschaft die Gefahr dramatisch unterschätzt.

Wir müssen mehr tun, um die von Ebola betroffenen westafrikanischen Staaten im Kampf gegen die Seuche zu unterstützen. Und zwar schnell. Damit die Epidemie endlich eingedämmt wird. Auch um die Menschen in Europa zu schützen.

Die freiwilligen Helfer, die gegen die Epidemie kämpfen oder sich gerade ins Seuchengebiet aufmachen, sind großartige Menschen. Ihnen gilt unser ganzer Dank. Ihr Mut soll uns ein Vorbild sein.

Das Europäische Parlament fordert von Ihnen mehr Engagement und bessere Koordination im Kampf gegen Ebola. Wir müssen enger zusammen arbeiten:

Bei der Mobilisierung von qualifiziertem medizinischem Personal.

Bei der Bereitstellung von mobilen Laboren mit den nötigen Geräten, von Schutzanzügen und von Behandlungszentren.

Bei der Koordinierung von Flügen und dem Schaffen von Luftbrücken zur Versorgung mit Personal, medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln.

Bei der Evakuierung von erkrankten Helfern.

Und bei der Vorbeugung, der wissenschaftlichen Forschung und der Entwicklung von Impfstoffen.

Das Europäische Parlament ersucht auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, gemeinsam mit den betroffenen Partnerländern Möglichkeiten für einen Rückgriff auf Militär- und Zivilschutzmittel unter der Leitung des Generalsekretärs und der Koordinierung des Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten zu prüfen.

Ohne in Hysterie zu verfallen, müssen wir alles in unserer Macht stehende tun, um den Ausbruch dieser grauenvollen Krankheit einzudämmen und Menschenleben zu retten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

gestern hat das Europäische Parlament eine neue Europäische Kommission gewählt. Und damit zu einem guten Ende gebracht, was wir mit dem Prozess der Spitzenkandidaten begonnen hatten. Herzlichen Glückwunsch an Jean-Claude Juncker und seine neugewählte Kommission. Zusammen ist es dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament gelungen in der Europäischen Union eine demokratische Zeitenwende einzuleiten. Indem wir eine neue Verfassungspraxis begründet haben und das ohne dass wir dafür die Europäischen Verträge ändern mussten. Dafür danke ich Ihnen im Namen des Europäischen Parlaments und der Bürgerinnen und Bürger.

Zur wirtschaftlichen Situation in der Europäischen Union

Während der Anhörungen der Kommissarskandidaten im Parlament hat sich eine Frage einmal mehr als zentral herauskristallisiert: die Frage nach der richtigen Wirtschaftspolitik für Europa. Kaum ein anderes Thema wurde in den vergangenen Jahren hitziger diskutiert.

Ja, in den letzten Jahren hat es Fortschritte gegeben.

Wir haben immer wieder den politischen Willen unter Beweis gestellt, unsere Gemeinschaftswährung energisch zu verteidigen. Niemand stellt heute noch das Überleben des Euros in Frage. Auch bei der Bankenunion sind wir weiter gekommen.

Die hochdramatischen Tage der Krise liegen hinter uns.

Aber die Krise selbst ist noch nicht vorbei. Der IWF und die OEZD warnen uns: Europa läuft Gefahr eine Dekade zu verlieren und droht in eine Abwärtsspirale zu geraten aus niedrigem Wachstum, hoher Arbeitslosigkeit, steigender Armut, und explodierenden Schulden. Der Mix aus Niedrigwachstum, der die Haushaltseinnahmen verringert, und hoher Arbeitslosigkeit, die die Staatsausgaben erhöht, belastet die Haushalte enorm. In den Programländern hat das Zusammenspiel von Haushaltskonsolidierung und restriktiver Lohnpolitik die öffentliche und private Nachfrage schrumpfen lassen. Der Glaube, durch Haushaltskonsolidierung alleine kämen Wachstum und Investoren automatisch zurück, hat sich als falsch erwiesen.

Derzeit erleben wir, wie sich die Konjunktur abkühlt. Ein starkes Warnsignal. Ein Warnsignal, auf das wir reagieren müssen.

Das Europäische Parlament befürwortet seit Jahren einen ausgewogenen Ansatz, der nachhaltige Haushalte, Strukturreformen und wachstumsfreundliche Investitionen miteinander verbindet. Erst in dieser Woche haben wir in einer Resolution zum Europäischen Semester erneut darauf hingewiesen, dass nachhaltige Haushalte und Strukturreformen ja kein Selbstzweck sind, sondern ein Mittel zum Zweck nachhaltiges Wachstum und letztlich Arbeitsplätze zu schaffen und die Armut zu bekämpfen.

Mit der Forderung nach Investitionen standen wir lange alleine da. In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich immer mehr Experten für Investitionen ausgesprochen.

Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank zählt zu ihnen. In seiner mittlerweile fast schon berühmten Rede in Jackson Hole warnte Mario Draghi davor, dass Geldpolitik allein nicht zum gewünschten Ergebnis führt, wird sie nicht von der richtigen Fiskalpolitik begleitet.

Erlauben Sie mir, um der Klarheit willen, bitte, Mario Draghi im Wortlaut zu zitieren: "Erstens könnte die bestehende Flexibilität des Regelwerks dazu genutzt werden, der schwachen Erholung entgegenzuwirken und die Kosten der erforderlichen Strukturreformen aufzufangen." [...] " (...) und ein umfangreiches öffentliches Investitionsprogramm zu gewährleisten, was auch im Einklang mit Vorschlägen des künftigen Präsidenten der Europäischen Kommission steht."

Die Warnungen müssen wir sehr ernst nehmen und die Vorschläge befolgen.

Denn die privaten und öffentlichen Investitionen liegen in Europa noch immer deutlich unter dem Vor-Krisen- Niveau; in den besonders krisengeplagten Ländern sind sie regelrecht abgestürzt. 2013 wurden EU-weit 325 Milliarden Euro weniger investiert als der Jahresdurschnitt im Jahrzehnt vor der Krise - das entspricht 2,5 Prozentpunkten des BIP.

Kommissionspräsident Juncker hat im Juli einen 300 Milliarden Investitionspakt im Europäischen Parlament vorgestellt - und dafür viel Zustimmung bekommen. Diesen Richtungswechsel befürwortet das Europäische Parlament.

Sehr geehrte Damen und Herren,

verständlicherweise löst ein solcher Investmentpakt zwei Fragen aus.

Erstens, wo soll das Geld her kommen?

Zweitens, wo soll das Geld hinfließen, wo kann es sinnvoll eingesetzt werden?

Ich möchte voranstellen: Investieren bedeutet nicht automatisch Schulden machen.

Investieren bedeutet zunächst das Geld, das man hat, bestmöglich und zum größtmöglichen Gewinn einzusetzen.

Einige Vorschläge zur Finanzierung des Investmentpaketes wurden bereits gemacht und die neugewählte Kommission arbeitet mit Hochdruck an einem fundierten Vorschlag. Sicherlich sollte der Europäischen Investitionsbank eine zentrale Rolle zukommen. Außerdem gilt es, sowohl öffentliche als auch private Gelder zu mobilisieren.

Aus Sicht des Parlaments ist gewiss: Wir können gemeinsam die notwendigen Mittel mobilisieren, wenn wir den Willen dazu haben.

Wo sollten die Mittel sinnvollerweise investiert werden?

Klar ist: Bei dem Investitionspaket kann es nicht darum gehen nach dem Gießkannenprinzip zu verfahren und Millionen wirkungslos verdampfen zu lassen. Nein, wir wollen gezielte Investitionen in Bereichen, die kurzfristig die Konjunktur ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen und langfristig unseren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen. Wir wollen da investieren, wo der größte Mehrwert zu erwarten ist.

Sicherlich ist es sinnvoll im Rahmen eines europäischen Infrastrukturprojekts in Energie und

Telekommunikation zu investieren, Brücken und Straßen zu bauen, uns mit Breitband und Stromnetzen besser zu verbinden, und innovative Forschungsprojekte und Start-UPs zu finanzieren, die die innovativen Produkte des 21. Jahrhunderts entwickeln.

Die Gemeinschaftsinstitutionen haben besonders durch die Europäische Investitionsbank und auch durch den Mehrjährigen Finanzrahmen - der ja ein Investitionshaushalt ist - fundierte Erfahrungen gesammelt, in welchen Bereichen Investitionen besonders ertragreich für Jobs und Wachstum sind.

Erlauben Sie mir bitte kurz drei Beispiele zu skizzieren.

Erstens, zur Europäischen Investitionsbank. 2012 haben die Mitgliedsländer das Kapital der EIB erhöht, um ihre Kreditvergabekapazität zu erhöhen. Dieser Schritt hat die Aktivitäten der Bank angekurbelt. Investitionen in Innovation, Energie und Infrastruktur wurden ebenso erleichtert wie der Zugang für SMEs zu Krediten.

Zweitens, das europäische Rahmenforschungsprogramm Horizon 2020.

Die europäische Forschungspolitik ist ein Erfolgsprojekt, dem es gelang den negativen Trend der Abwanderung junger Forschertalente umzudrehen.

Basierend auf Berechnungen, die die Kommission in ihrer ex-ante Folgenabschätzung für Horizon 2020 vorgelegt hat, steht zu erwarten, dass jeder Euro, der bis 2030 über Horizon 2020 in Forschung und Entwicklung investiert wird, zehn Euro zusätzliches BIP abwerfen wird. Außerdem soll Horizon 2020 bis zum Jahr 2030 830.000 nachhaltige Jobs schaffen.

Drittens, die digitale Agenda. Besonders bei der Digitalen Agenda entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Europas. Gerade auch für unsere Industrie und den Mittelstand ist es wichtig, dass der Umbau zur sogenannten Industrie 4.0 gelingt. Herr Juncker, hat darauf hingewiesen, dass ein digitaler Binnenmarkt 250 Milliarden zusätzlichen Wachstum und hunderttausende neuer, qualifizierter Jobs in den nächsten fünf Jahren bringen kann.

Wir brauchen eine digitale Infrastruktur: Breitbandnetze sind Daseinsvorsorge.

Wir müssen unsere europäischen Start-UPs noch mehr unterstützen, gerade beim Sprung auf den Weltmarkt.

Wir müssen unser Kartell-, Datenschutz-, und Urheberrecht an die neuen Gegebenheiten anpassen, damit unsere Unternehmen wettbewerbsfähig sind, ohne unsere Grundrechte und Standards zu verwässern,

Klima- und Energiepolitik

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir alle erinnern uns noch an die Kopenhagener Klimakonferenz vor fünf Jahren. Das Ergebnis fiel damals bescheiden aus. Der Kopenhagen-Akkord war nicht mehr als ein Minimalkonsens und blieb weit hinter dem zurück, was wir als EU erreichen wollten: ein neues, völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Seit Kopenhagen hat eine Vielzahl an Treffen statt gefunden, um das dringend benötigte globale Abkommen vorzubereiten. Bereits im Dezember wird sich die Weltgemeinschaft in Lima einfinden, um die im nächsten Jahr in Paris anstehenden Entscheidungen vorzubereiten. Das Ziel der Klimakonferenz in Paris ist es, ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zu verabschieden. Es steht viel auf dem Spiel Und es wird nicht leicht werden angesichts der aktuellen geopolitischen und weltwirtschaftlichen Lage.

Aber eine Blamage wie in Kopenhagen können wir uns nicht wieder leisten. Dennoch: es gibt auch Grund zur Hoffnung. Das Treffen der Regierungschefs in der UNO in New York im September hat gezeigt, dass es eine Chance gibt. Es gilt jetzt diese Gelegenheit zu nutzen und zum positiven Trend zu verstetigen. Deshalb sind nicht nur die Konferenzen in Lima und Paris wichtig, sondern auch die Signale, die von diesem Europäischen Rat ausgehen.

Die Entscheidungen, die Sie heute über die Klima und Energiepolitik treffen, sind eine Botschaft an den Rest der Welt. Ich weiß, wie schwierig es ist, die sehr unterschiedlichen Positionen und Interessen im Bereich der Klima- und Energiepolitik unter einen Hut zu bringen. Im Parlament haben wir sehr hitzige und kontroverse Debatten zu diesem Thema geführt und nicht alle sind mit dem Ergebnis zufrieden.

Wenn wir aber in der Weltklimapolitik eine führende Rolle spielen wollen, dann müssen wir geschlossen auftreten und alle die Position, auf die wir uns geeinigt haben, mit tragen. Jetzt gilt es, uns sowohl auf die Ziele als auch die richtigen Instrumente zu einigen. Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen und uns als Vorreiter im Klimaschutz bewähren, können wir mit gutem Beispiel voran gehen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte Sie dringend: Unternehmen Sie keine weiteren Schritte auf der abschüssigen Bahn des Intergouvernementalismus. Der Europäische Rat sollte sich nicht in die Details der Gesetzgebung einmischen. Nicht nur, weil das vertragswidrig ist. Die Erfahrung lehrt auch: das führt zu schlechteren Ergebnissen. Lassen Sie den Rat und das Europäisch Parlament ihre Arbeit tun. Alles andere bedeutet schlechte Nachrichten für das Weltklima und das Klima zwischen den Institutionen.

Im Februar hat sich das Europäische Parlament nach ähnlich kontroverser Debatte, wie sie bei Ihnen geführt wird, mit Mehrheit für verbindliche klimaziele ausgesprochen.

Uns geht es dabei um drei Ziele, die wir bis 2030 erreichen wollen:

Erstens, im Vergleich zu den Werten von 1990 den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent reduzieren.

Zweitens, den Anteil an erneuerbaren Energien im Energiemix auf mindestens 30 Prozent erhöhen.

Drittens, bis 2030 40 Prozent an Energie einsparen.

Außerdem haben wir in dieser Resolution festgestellt, dass die Schlüsselinstrumente des Europäischen Klimaschutzes, das Emissionshandelssystem und die Anpassung der Entscheidung über die Lastenteilung nicht ehrgeizig genug sind. Eine Strukturreform des Emissionshandelssystems ist dringend angeraten, ebenso ein ambitionierten Rahmen für die nicht vom Emissionshandelssystem erfassten Sektoren, die immerhin für 60% der europäischen Treibhausgase verantwortlich sind.

In letzter Zeit werden wieder Stimmen laut, die sagen, jetzt sei nicht die richtige Zeit, um ehrgeizigen Klimaschutz zu betreiben, erst müsste die Krise in Europe überwunden sein. Das stimmt nicht. Das Europäische Parlament hat wieder und wieder betont, dass Wirtschaftswachstum und der Klimaschutz nicht nur nebeneinander bestehen können, sondern sich gegenseitig verstärken. Damit das gelingt, müssen wir aber unsere Energiepolitik neu organisieren. Und das heißt: unsere Energiequellen diversifizieren und unsere Energieabhängigkeit verringern.

Konkret bedeutet dies: Die schnelle Vollendung des internen Energiemarktes und die Modernisierung unserer Infrastruktur, insbesondere durch den Ausbau unserer Stromnetze, sowie die Bereitstellung von Querverbindungen und Speicherkapazitäten. Wir wollen die Sonne im Süden und den Wind im Norden nutzen, um unsere Fabriken und Häuser mit Strom zu versorgen und das durch europaweite Netze, die uns verbinden. Wir wollen die Stärken der Einzelnen zum Nutzen Aller einzusetzen. Auch damit Energie bezahlbar bleibt und die Versorgung gesichert ist. Spätestens die Krise in der Ukraine hat auch dem Letzten vor Augen geführt, dass wir mehr für unsere Energiesicherheit tun müssen. Leider haben wir seit der Ölkrise vor 40 Jahren nicht viel getan, um unabhängig von Drittstaaten zu werden und einen Energiebinnenmarkt aufzubauen. Das müssen wir dringend nachholen.

Im letzten Jahrzehnt sind die Energiepreise gestiegen. Die hohen Energiepreise lasten schwer auf den Menschen und Unternehmen in Europa. Die billigste und sauberste Energie ist Energie, die gar nicht erst verbraucht wird.

Deshalb ist Energieeffizienz der Schlüssel, um Energiekosten zu senken, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und unsere Abhängigkeit von Energielieferungen durch Drittstaaten zu reduzieren.

2011 hat die EU fossile Brennstoffe im Wert von 406 Milliarden Euro importiert. Mit diesem Geld schaffen wir aber keine Jobs in Europa.

Eine halbe Million Menschen arbeiten bereits im Bereich der erneuerbaren Energien. Und es können viele mehr werden, wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Noch sind wir Weltmarktführer bei Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien. Aber die USA und China holen auf.

Deshalb: wir müssen jetzt gezielt in die Bereiche Erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren, gerade auch in Forschung und Entwicklung, um Weltspitze zu bleiben und neue Zukunftschancen zu schaffen.

Die Kommission hat kalkuliert, dass im Bereich Erneuerbare Energien drei Millionen neue Jobs und im Bereich der Energieeffizienz zusätzlich zwei Millionen neue Arbeitsplätze in den kommenden Jahren entstehen können. Auch scheinen jährliche Kosteneinsparungen im dreistelligen Milliardenbereich möglich.

Ich will hier nichts beschönigen. Das wird alles viel Geld kosten. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, Privatinvestoren und der Industrie mit einem klaren und langfristig angelegten Rahmen die notwendige Planungssicherheit zu verschaffen. Der Europäische Rat ist jetzt aufgefordert für diese Klarheit zu sorgen. Denn es steht viel auf dem Spiel: ob es uns gelingt, den Klimawandel zu bekämpfen, unsere Energieabhängigkeit zu verringern, unsere Industrie im internationalen Wettbewerb zu stärken und neue Jobs zu schaffen. Sie stellen heute die Weichen, die darüber entscheiden, ob Europa weiter Weltspitze bleibt.

Fluggastdatensätze und Foreign Fighters

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Europäische Parlament teilt Ihre große Sorge über die Foreign Fighters, EU-Bürger, die sich, zuhause radikalisiert, auf den Weg nach Syrien und in den Irak machen, um sich dort dschihadistischen Gruppen anzuschließen. Insbesondere der Terrormiliz des sogenannten "Islamischen Staates".

Leider handelt es sich hierbei nicht um eine zu vernachlässigende Randerscheinung. Mittlerweile gibt es über 3000 europäische Kämpfer im Irak und in Syrien. Männer und Frauen, sogar Jungen und Mädchen, aus allen Schichten machen sich aus Europa auf in den Krieg.

Diese Terroristen befeuern die Konflikte in unserer Nachbarschaft. Sie stellen aber auch ein Sicherheitsrisiko für europäische Länder dar. Steht doch zu befürchten, dass diese gewaltbereiten Extremisten in Europa anwenden könnten, was sie im Krieg gelernt haben.

Wir alle erinnern uns noch deutlich an das entsetzliche Terrorattentat auf das Jüdische Museum in Brüssel im vergangenen Jahr. Solche schrecklichen Verbrechen fordern uns als Gesellschaft in unserer Gesamtheit heraus. Gemeinsam und unerschrocken müssen wir uns diesem gewaltbereiten Fanatismus entgegenstellen.

Wir brauchen eine umfassende Strategie, die mit der Prävention gegen Radikalisierung beginnt und bis zur engen Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten reicht. Ihre Innenminister haben in der vergangenen Woche bereits die ersten Schritte eingeleitet und wir erwarten einen baldigen Austausch mit dem Rat über diese Thematik.

Auch die Gespräche über den Vorschlag der Kommission zur Harmonisierung der Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Strafverfolgung auf EU-Ebene laufen wieder. Einige EU-Länder verfügen bereits über nationale PNR-Systeme, während andere EU-Länder gerade dabei sind solche Systeme zu entwickeln. Nichts hindert Sie daran, diese Arbeit auf nationaler Ebene zu vollenden. Die Kommission unterstützt solche Vorhaben sogar mit EU-Mitteln.

Was eine mögliche Harmonisierung auf europäischer Ebene betrifft, wird das Parlament selbstverständlich konstruktiv mit dem Rat zusammen arbeiten. Aber e ine für uns annehmbare Lösung muss sowohl unseren Strafverfolgungsbehörden zu einer präzisen Einschätzung der Lage verhelfen als auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden und im Einklang mit unseren Grundrechten stehen.

Sie stimmen sicherlich mit mir darin überein, dass wenn wir uns dazu entschließen Gesetzgebung zu verabschieden, diese dann auch wirklich gerichtsfest sein muss. Schließlich wollen wir nicht erneut vor Gericht scheitern, wie dies zuletzt mit der Vorratsdatenspeicherung im April geschah.

Ebola

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor unseren Augen spielt sich in Westafrika eine entsetzliche Tragödie ab. Uns allen haben sich schreckliche Bilder eingebrannt. Von an Ebola erkrankten Menschen, die wegen Platzmangel vor den Toren der Krankenhäusern und Isolierungsstationen abgewiesen werden. Von erkrankten Kindern, die auf dem Gehweg von ihren Familien ausgesetzt werden, weil sie einfach nicht mehr weiter wissen. Von Menschen, die elendig an der Seuche sterben. Von Toten, die niemand beerdigt. Die Epidemie breitet sich immer weiter aus, gefährdet immer mehr Menschen, bedroht die staatliche Ordnung und den gesellschaftlichen Zusammenhang.

Zulange hat die internationale Gemeinschaft die Gefahr dramatisch unterschätzt.

Wir müssen mehr tun, um die von Ebola betroffenen westafrikanischen Staaten im Kampf gegen die Seuche zu unterstützen. Und zwar schnell. Damit die Epidemie endlich eingedämmt wird. Auch um die Menschen in Europa zu schützen.

Die freiwilligen Helfer, die gegen die Epidemie kämpfen oder sich gerade ins Seuchengebiet aufmachen, sind großartige Menschen. Ihnen gilt unser ganzer Dank. Ihr Mut soll uns ein Vorbild sein.

Das Europäische Parlament fordert von Ihnen mehr Engagement und bessere Koordination im Kampf gegen Ebola. Wir müssen enger zusammen arbeiten:

Bei der Mobilisierung von qualifiziertem medizinischem Personal.

Bei der Bereitstellung von mobilen Laboren mit den nötigen Geräten, von Schutzanzügen und von Behandlungszentren.

Bei der Koordinierung von Flügen und dem Schaffen von Luftbrücken zur Versorgung mit Personal, medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln.

Bei der Evakuierung von erkrankten Helfern.

Und bei der Vorbeugung, der wissenschaftlichen Forschung und der Entwicklung von Impfstoffen.

Das Europäische Parlament ersucht auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, gemeinsam mit den betroffenen Partnerländern Möglichkeiten für einen Rückgriff auf Militär- und Zivilschutzmittel unter der Leitung des Generalsekretärs und der Koordinierung des Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten zu prüfen.

Ohne in Hysterie zu verfallen, müssen wir alles in unserer Macht stehende tun, um den Ausbruch dieser grauenvollen Krankheit einzudämmen und Menschenleben zu retten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.